Haarfarbe und Persönlichkeitseindruck
Methoden und Ergebnisse einer Diplomarbeit von Martin Rinck
Universität des Saarlandes, Saarbrücken, 2002
Zusammenfassung © PD Dr. Ronald Henss
Das Folgende ist eine Zusammenfassung der Methoden und einiger wichtiger
Ergebnisse der Diplomarbeit von Martin Rinck, die unter meiner Anleitung
an der Universität des Saarlandes durchgeführt wurde.
Die Studie konzentriert sich auf die Frage wie unterschiedliche Haarfarben und unterschiedliche Haarlängen auf den Betrachter wirken. Es geht nicht darum, wie die beurteilten Personen "wirklich" sind, sondern ausschließlich darum, welche Eindrücke Haarfarben und Haarlänge erwecken.
Über Haarfarben wird oft und gerne geredet und oftmals geht es um die Frage, was die Haarfarbe über ihren Träger - oder besser: ihre Trägerin, denn zumeist handelt es sich dabei um eine Frau - aussagt.
Deutungen gibt es zuhauf. Aber sind Blondinen wirklich schön aber dumm? Sind Rothaarige feurig, temperamentvoll und gefährlich? Wirken Schwarzhaarige melancholisch? Und wirken Brünette unauffällig, bodenständig und solide?
Obwohl es sich in vielen Fällen um voreilige Schlüsse und unhaltbare Annahmen handeln dürfte, ist doch davon auszugehen, dass unterschiedliche Haarfarben beim Betrachter unterschiedliche Eindrücke erwecken können.
Ausgangspunkt waren Portraitfotos von zehn jungen Frauen. Mit Hilfe des Frisurenprogramms "Cosmopolitan My Style 2" wurden durch die Variation von Haarfarbe und Haarlänge zu jedem Foto acht Bildvarianten erzeugt. In der einen Hälfte der Fälle trug die Frau langes, in der anderen kurzes Haar. Und die Haarfarbe war entweder blond, braun, schwarz oder rot.
Die Untersuchung wurde im Internet durchgeführt. Den Versuchspersonen wurde ein zufällig ausgewähltes Foto präsentiert und sie sollten die fremde Person im Hinblick auf 74 Persönlichkeitseigenschaften beurteilen.
Da jede Versuchsperson nur ein einziges Foto sah und da das Thema "Haare, Haarfarben, Haarlänge" mit keinem Wort erwähnt wurde, ist auszuschließen, dass die Versuchspersonen den eigentlichen Zweck der Untersuchung erraten konnten.
Das Experiment wurde in einer deutsch- und in einer englischsprachigen Version durchgeführt. Insgesamt nahmen mehr als 2.000 Versuchspersonen teil (etwa ein Drittel Männer und zwei Drittel Frauen, etwa 55 Prozent deutschsprachige und 45 Prozent englischsprachige Version).
Ergebnisse
Als Erstes wurden die 74 Persönlichkeitsbeurteilungen zu sieben Eindrucksfaktoren zusammengefasst, die sich wie folgt interpretieren lassen (Rinck verwendete zum Teil etwas andere Bezeichnungen):
- Emotionale Labilität (ängstlich, unsicher, selbstmitleidig, überempfindlich ...)
- Risikobereitschaft/Extraversion (experimentierfreudig, abenteuerlustig, unternehmungslustig, kreativ ...)
- Soziale Verträglichkeit (hilfsbereit, kinderlieb, familienorientiert, freundlich ...)
- Berufserfolg (erfolgsorientiert, Karrierefrau, beruflich erfolgreich, ehrgeizig ...)
- Weiblichkeit/Attraktivität (männliche Züge(-), weibliches Aussehen, weibliche Gesichtszüge, gutaussehend ...)
- Gesundheit/Jugendlichkeit (gesund, wirkt jugendlich, kränklich, körperlich gesund ...)
- Unstetigkeit (gesellig, ernst(-), ungenau)
Effekte der Haarfarbe
Es zeigte sich, dass fünf der sieben Faktoren durch die Haarfarbe beeinflusst wurden.
Die Ausnahmen waren "Weiblichkeit/Attraktivität" und "Gesundheit/Jugendlichkeit".
Das heißt insbesondere auch, dass blondes Haar in dieser Untersuchung nicht
attraktiver, weiblicher und jugendlicher wirkte als die anderen Haarfarben.
In den Bereichen, in denen die Haarfarbe einen Effekt hatte, ergab sich Folgendes:
- Emotionale Labilität: Am labilsten wirkte blondes Haar, am stabilsten rotes. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant. Braun und schwarz nehmen eine Mittelstellung ein, wobei sich diese weder signifikant von blond noch von rot unterschieden.
- Risikobereitschaft/Extraversion: Rotes Haar erzielte mit Abstand die höchsten Werte. Schwarzes Haar eindeutig die niedrigsten. Blond und Braun lagen in der Mitte.
- Soziale Verträglichkeit: Das exakte Spiegelbild zu Risikoberetischaft/Extraversion. Das heißt: Schwarzes Haar erschien mit Abstand am verträglichsten, rotes am unverträglichsten und blond und braun lagen gleichauf dazwischen.
- Berufserfolg: Schwarzes Haar schnitt wesentlich besser ab als blondes, braunes und rotes, die sich ihrerseits nicht voneinander unterschieden (dieser Effekt kann aber nicht uneingeschränkt über alle zehn Frauen verallgemeinert werden).
- Unstetigkeit: Hier erzielte blondes Haar die höchsten Werte (also: gesellig, aber ungenau), schwarzes die niedrigsten und braun und rot lagen dazwischen.
Effekte der Haarlänge
Die Variation der Haarlänge zeigte lediglich auf dem Faktor "Risikobereitschaft/Extraversion" einen sogenannten Haupteffekt, wobei kürzere Haare höhere Bewertungen erhielten als lange. Es zeigten sich jedoch zahlreiche Interaktionseffekte zwischen Haarlänge und den beurteilten Individuen. Das bedeutet, dass sich die Haarlänge sehr unterschiedlich auswirken kann, je nachdem um welche konkrete Frau es sich handelt. Demnach lassen sich aus dieser Untersuchung keine pauschalen Aussagen über die Wirkung
der Haarlänge ableiten.
Abschließende Bemerkungen
Von einer weitergehenden Interpretation der Befunde nehmen wir an dieser Stelle Abstand. Es soll aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass diese Ergebnisse keinesfalls den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Selbstverständlich können bei anderen zu beurteilenden Personen auch andere Ergebnisse auftreten. Insbesondere ist auch zu beachten, dass die Haarfarben und die Frisuren durch die Verwendung des Frisurenprogramms zum Teil recht unnatürlich erschienen.
Trotzdem ist festzuhalten, dass unterschiedliche Haarfarben (und Haarlängen) durchaus zu beträchtlich unterschiedlichen Eindrücken bei der Beurteilung fremder Personen führen können - genau dies sollte durch das Experiment aufgezeigt werden.
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